Wenn ein plötzlicher Lautstärkewechsel als Ausdruck eines Konfliktausbruchs auf der Bühne mich nicht faszinierte, sagte ich, dass ich Theater nicht mochte.
Wenn ich spürte, dass für die Schauspieler es nicht komfortabel war, „in der Haut des Anderen zu sein“, sagte ich, dass ich Theater nicht mochte.
Wenn die Performance mich in seiner fiktiven, distanzierten Realität verloren hat und der pathetische Schmerz mich überhaupt nicht erreichen konnte, sagte ich, dass das Theater nicht meins war..
… und dann kam Mary, oder Polly … nee, sie heißen gar nicht so.
Die Jungs aus dem damaligen Jugoslawien heißen alle Aleks, und zwar mit „ ks“ und nicht mit „x“ und die Mädels heißen alle wie Hoffnung, Glaube und Liebe oder wie Sehnsucht, Wärme und Licht oder, wie Mateja, Jasmina und Vernesa. Sie sind alle verbrannt vom Feuer, das unter ihrer gemeinsamen, jugoslawischen Erde flimmert und alles einäschert, ihre Kindheit, die Schulde und Sünde ihrer Eltern und immer noch ihre chaotischen Erinnerungen und unklaren Zugehörigkeitsgefühle.
Common Ground – ein Theaterstück von Yael Ronen & Ensemble, welches ich im Theater gesehen habe, im Theater, im Theater… im Gorki Theater, in Berlin, im Oktober…
Die Geschichte der Idee ist, dass die Traumata von den Anderen, letztendlich auch mit uns zu tun haben. Dass wir immer direkt oder indirekt dran beteiligt sind, auch wenn wir nichts dagegen unternehmen.
Wenn Menschen einander umbringen, wenn Menschen flüchten müssen und die Geflüchteten mit dem Gefühl weiterleben müssen, dass sie unerwünscht, unverständlich und fremd sind; dass Kinder mit dem Gefühl aufwachsen, ein Teil von Etwas Anderem, Etwas Fremden zu sein, dieses Etwas, Mal als Last und Mal als Glück wahrnehmen zu müssen, oder anders gesagt, dass die Kinder eine dauerhafte Sehnsucht nach dem Papa haben und wenn er dann endlich kommt, sie sich für sein lautes Lachen schämen müssen, weil…
… weil in dem Ort, wo man aus Armut und Krieg hin flieht, macht man das nicht so, ist man nicht so, da bringt man andere Menschen nicht um, da arbeitet man fleißig und plant man seinen Urlaub im Süden, da ist man anständig und gehorsam, da lässt man 2 Mal im Jahr Zahnprophylaxe machen. Da lacht man nicht laut, da ist man wirklich anders!
Die Idee der Geschichte ist, dass wir alle, in der heutigen Welt miteinander vernetzt sind und dass ein Ursachewirkungsprozess viel schneller läuft!
Dass wir selbst die Medien, die Politiker und einfach die Täter sind, wenn wir keinen neuen Leitfaden finden!
Dass wir uns aufmerksam über die Themen wie Wettbewerbe, Kriege, Supermänner und Superfrauen machen und die glamourösen Hoffnungen über das materielle Glück fabrizieren.
…Und dass wir lautes Lachen in uns sehr tief eingegraben haben und immer noch auf jemanden warten, der das Lachen ausgräbt.
2015 © Lela Chilingarishvili